Sage vom Vielbecker See
Wo sich heute der Vielbecker See erstreckt, lag einst ein Dorf. Warum es in den Fluten versank? Hört selbst!
Sage vom Vielbecker See
Wo sich heute der Vielbecker See erstreckt, lag einst ein Dorf. Warum es in den Fluten versank? Hört selbst!
Vor langer Zeit lebten in Vielbeck gottlose Menschen. Bis auf die alte Stine und einige andere Weiblein gaben sich Männer und Frauen dem Bier hin, sie lästerten und prügelten sich und raubten Fremde aus. Die alte Stine konnte das ehrlose Treiben nicht mehr ertragen und wandte sich an den Pastor. Aber auch dieser war ratlos: Sobald er in der Kirche mahnende Worte sprach, trieben die Menschen ihren Spott mit ihm. „Geht zum Bischof nach Ratzeburg und bittet ihn um Hilfe“, sagte die alte Stine.
Der Pastor machte sich in aller Frühe auf den Weg und erreichte spät am Abend den Bischof: „Eure Eminenz, nur Ihr könnt helfen. Die Gottlosigkeit in Vielbeck ist nicht mehr zu ertragen.“ Der Bischof ließ sich berichten und versprach Hilfe. Er schickte am nächsten Tag den Mönch Conradus mit einer Botschaft und zu Pferd ins Dorf. Doch die Menschen dort lachten: „Was will denn der? Was für einen dicken Geldbeutel er hat!“ Ein gieriges Funkeln trat in ihre Augen.
Nun sahen alle, welche fette Beute zu ihnen gekommen war. Plötzlich flog ein Stein und traf den Mönch. Ein nächster folgte. „Wer ihn mit einem Wurf vom Pferd bringt, erhält das meiste Geld!“, wurde gerufen. Männer, Frauen und sogar Kinder warfen mit allem, was sie in die Hände bekamen. Es dauerte nicht lange, und der arme Conradus stürzte vom Pferd. Alle drängten zu ihm, jeder wollte auf seine Kosten kommen, wollte Geld, Mantel und Stiefel oder sogar das Pferd ergattern. Die Vielbecker prügelten sich nun gegenseitig; der Mönch war tot.
Keiner bemerkte, wie der Himmel sich verdunkelte. Schwarze Wolken zogen auf, dann ging kein Wind mehr. Ein dumpfes Grollen schallte durch die Luft. Plötzlich zuckte ein greller Blitz und aus den Wolken ergoss sich bei krachenden Donnerschlägen ein sintflutartiger Regen. Die Menschen suchten Schutz in ihren Häusern.
Und die alte Stine? Sie war schon am Morgen in den Wald gegangen, um Feuerholz zu holen. So hatte sie vom Geschehen um Conradus nichts mitbekommen. Nun stand sie auf dem Iserberg und blickte hinunter nach Vielbeck. Sieh sah einen ungeheuren Regen auf das Dorf niedergehen, sah die Menschen auf die Dächer ihrer Häuser klettern. Es dauerte nicht lange, und nur der Kirchturm war noch zu sehen. Dann versank auch er in den Fluten. Wo einst das Dorf Vielbeck gewesen war, erstreckte sich nun ein See. Keiner hatte überlebt.
Stine wohnte fortan bei ihrer Schwester in Hamberge, und der Pastor blieb in Ratzeburg.